Als wissenschaftlich interessierter Mensch, suche ich stets nach Fakten in Büchern, Studien und Podcasts. Manchmal finde ich Begründungen, die mich überzeugt haben, wie man Hunde richtig und ethisch behandelt. Seit über 18 Jahren mache ich mein Hobby zum Beruf und sehe den Hundetrainer-Beruf als Verantwortung gegenüber Mensch und Hund.
Eine Methode, die auf Blocken, Nein sagen oder Zischen basiert, kam für mich nicht in Frage, doch einmal habe ich eine Übung von einer Trainerin aus einer DVD übernommen, die solche Methoden anwendet.
Früher hatte ich ein Problem mit meiner aktiven Pudelmix-Hündin, die immer vor Aufregung in die Leine zog. Die Aufgabe für mich damals war, dass Janne nicht über meine Fußspitzen hinausgehen sollte. Das war die gedachte rote Linie. Man sollte sich eindrehen, zischen und den Hund leicht stupsen. Bei mir reichte das Eindrehen aus, um sie zurückzudrängen, ohne die anderen Techniken anzuwenden. Bald merkte ich, dass sie bei Aufregung (z. B. wenn ein Hund kam) von sich aus nach hinten lief. Sie hampelte dann zwischen meinen Beinen, was für mich in Ordnung war.
Ich dachte, sie fühle sich hinter mir wohl und nehme sich zurück, um mir die Führung zu überlassen. Doch ich hatte ihre Eigenständigkeit unterschätzt. Sie hatte sich eine eigene Lösung überlegt, um mit ihrer Aufregung umzugehen. Ohne es zu wissen, hatte ich ihr eine bessere Möglichkeit angeboten: Sie begann, ihre Schnauze während des Gehens zwischen meinen Beinen zu reiben. Das macht sie übrigens heute immer noch.
Hier ein kleiner Film. Dort seht ihr auch, dass ich Janne viel zu selten belohne, wenn sie wieder neben mir geht. Ennah erhält mehr, weil sie in dieser Situation dazu neigt zu bellen. Das ist mal wieder menschlich. Bellen stört mehr im Wohngebiet. Werde mir das abgewöhnen. Denn sie sind am Anfang des Spaziergangs immer aufgeregt, weil uns da immer freilaufende Hühner oder Katzen begegnen. Freilaufende Hühner muss ein Aussie an der Leine nicht aushalten in eh schon großer Aufregung. Beim Rückweg geht es dann immer. Ich bin zufrieden und verständnisvoll.... meistens...;-) Denn ich habe auch Emotionen als Mensch. Übrigens die Leckerchensache mache ich hier nur, um die Aufregung etwas runterzufahren. Das ist kein Training.
Janne reibt ihre Schnauze zwischen meinen Beinen, wenn sie aufgeregt ist. Dieses Verhalten zeigt sie nur selten und immer nur kurz. Man könnte es als eine Form der Selbstberuhigung oder sogar als Zwangsstörung betrachten. Solange das Verhalten dem Hund kurzfristige Erleichterung verschafft, von selbst endet und keine körperlichen Schäden verursacht, ist es jedoch kein Problem. Das gilt auch für Menschen, die sich an den Fingern knibbeln oder Nägel kauen – solange sie sich dabei nicht verletzen. Auch das wiederholte Drehen einer Locke im Haar oder andere ähnliche Verhaltensweisen bei Menschen dienen oft zur Beruhigung.
Wichtig ist, dass dieses Verhalten immer im Kontext und auf seine Auswirkungen hin beurteilt wird. Ich bemühe mich, dies für Janne zu tun.
Ich entschuldige mich zudem für meinen Irrglauben, dass das Nach-hinten-Schicken von Hunden die Übernahme von Führung bedeutet. Das Verbleiben und Aufsuchen des hinteren Bereichs spricht nicht immer für diese Begründung. Bei Janne handelte es sich vielmehr um eine Form der Selbstregulation in einem emotionalen Zustand. Es ist nicht immer so dramatisch, wie es manchmal wahrgenommen wird.
Denn wenn der hintere Bereich für den Hund keine emotionale Beruhigung verspricht, dann wird man immer wieder nach hinten schicken müssen. Ansonsten wäre Janne nicht später und die ganzen Jahre wieder von selbst hinter mich gegangen. Meine Einschätzung dieses Verhaltens war jedoch total falsch. Sie fühlt sich nicht hinter mir sicherer, sondern sie hat eine Lösung gefunden ihren unangenehmen emotionalen Zustand der Überdrehung angenehmer zu machen. Meine Einwirkung auf diese Lösung war nur klein.
Ich möchte jetzt nicht, dass ihr alle Hunde nach hinten schickt, damit sie zwischen euren Beinen hibbeln. Ich möchte nur, dass ihr überdenkt, was bei Hunden so Ungehorsam bedeuten kann. Und ob wir mit unserer Einschätzung da immer richtig liegen. Sicher nicht.
Und in diesem Zusammenhang wage ich die Behauptung, dass eine sehr hoher Prozentsatz von dem was wir Menschen als Ungehorsam bezeichnen emotionale Ausbrüche von Hunden sind.
Hier mal ein Menschenbeispiel. Immer wenn ich mit den Hunden aufs Feld gegangen bin und sie frei gelassen habe, ist mein Sohn mitgerannt. Das auch ins matschige Feld. Einmal steckte sogar ein Gummistiefel im Matsch und der 'Sausack' (nicht ernst gemeint, aber in der Situation schon) ist einfach weiter gelaufen. Habe mich da sehr geärgert. Als er 6 Jahre alt war kam ich dann mal auf die Idee und fragte ihn, warum machst du das immer? Er sagte mir ehrlich, ich kann nicht anders.
Hunde sind auf dem Stand eines 2 jährigen Kindes und sie haben ein und das gleiche Nervensystem, wie wir Menschen.
Natürlich ist es nicht immer angenehm, wenn ein Hund eskaliert. Aber Unterdrückung ist auch keine Lösung. Das braucht eine ganzheitliche Betrachtung. In seiner Welt verhält ein Hund sich ja nicht falsch, wenn er in Aufregung reagiert. Er zeigt ja nur, dass ist mir jetzt gerade unangenehm. Ja und auch das Verhalten, welches wir als provokativ uns gegenüber betrachten, wie weglaufen, anbellen, Leine beißen. Auch das braucht Verständnis. Allein diese Einsicht führt zu einem besseren Miteinander. Es hätte überhaupt nichts gebracht meinen Sohn damals zu bremsen. Auch wenn das bei anderen Kindern geht. Für alle Eltern mit solchen Kindern. Das werden später die kreativsten und eigenständigsten Kinder, wenn ihr sie natürlich im Rahmen ihre Emotionen ausleben lasst. Das ist hart, ich weiß. Habe ich damals auch nicht so gesehen.
Tatsächlich gilt das aber auch für Hunde. Wie man das mit Welpen macht, wird ein eigener Blog.
Ein Hund gibt euch nicht absichtlich kontra. Das ist eine Emotion, die raus muss und in dem Moment kann man da erst einmal nur umlenken und dann überlegen, wie verändere ich unser Umfeld, wie beschäftige ich meinen Hund und was triggert ihn? Das ist tatsächlich nicht so schwer und gar nicht so viel mit Leckerchen und trainieren zu tun. Denn es geht darum Hunden ein so gut wie möglich passendes Leben zu bieten und ihnen Unterstützung zu geben in schwierigen Situationen durchaus eigene passende Lösungen zu finden.
Und vergesst nie, ihr seid die Einzigen die eure Hunde glücklich machen können. Einfach nur indem ihr gemeinsame Dinge mit Freude macht und nicht nur an die Probleme denkt.
Eine kleine Anekdote habe ich zum Schluss noch für euch. Wenn andere Menschen mit euren Hunden spazieren gehen und behaupten, dass sie bei ihnen nicht so eskalieren, wie bei dir. Dann denkt darüber nach, dass sie bei diesem Mensch ihre Emotionen nicht zeigen wollen, weil sie sich nicht sicher fühlen, sie unterdrücken die Angst oder Aufregung oder wurden arg geblockt. Das können sie dann aber nur die kurze Zeit. Langfristig habt ihr das zugrunde liegende Problem aber nicht gelöst.
Kinder sind oft bei Oma recht brav. Aber wenn sie die Mutter abholt, drehen sie noch beim Abholen durch und machen allen möglichen Sch... Das ist der gleiche Effekt.
Auch Tierschutzhunde schreien erst nach frühestens 2 Wochen nach Ankunft bei euch an der Leine. Dann trauen sie sich ihre Emotionen zu zeigen. Aber auch meist nur bei der Vertrauensperson.
Also lasst euch nicht schlecht machen von den Leuten, die scheinbar mit euren Hunden besser umgehen können. Das Gegenteil ist der Fall.
Bitte hört auf zu glauben, dass Hunde führen wollen, gegen euch arbeiten und ungehorsam sind. Hunde haben schlicht und einfach auch Emotionen. Tatsächlich wollen Hunde ja geführt werden. Sie lassen sich aber nur von Menschen führen, die um ihre Bedürfnisse und Emotionen wissen und denen sie in diesem Fall vertrauen können. Dann gehen sie mit euch auch entspannter durch schwierige Situation und sind lenkbarer.
Ich zeige euch gerne wie das geht.
In meinem Webinar im Februar zeige ich euch auch, wie anders Reaktionen von Hunden gesehen werden können. Wir schauen uns hier Videos von Interaktionen von Hunden an und bewerten diese neu.
Eure Andrea
Comments