Warum „gestelltes Training“ von Impulskontrolle und Frustrationstoleranz oft nicht hilfreich ist
- Andrea Jumpertz

- 8. Dez.
- 2 Min. Lesezeit

Impulse zu kontrollieren und Frustration auszuhalten gelten in der Hundeerziehung als zentrale Ziele. Häufig werden diese Fähigkeiten gezielt trainiert, zum Beispiel durch bewusstes Warten lassen, das Vorenthalten von Ressourcen oder Übungen, bei denen der Hund „lernen soll“, Enttäuschung auszuhalten. Dieses Vorgehen wirkt auf den ersten Blick logisch, greift jedoch oft zu kurz – und kann kontraproduktiv sein.
Impulskontrolle ist kein isolierbarer Skill
Impulskontrolle ist keine Technik, die sich unabhängig vom inneren Zustand trainieren lässt. Sie ist das Resultat eines ausreichend regulierten Nervensystems. Ein Hund kann nur dann Impulse hemmen, wenn er sich innerlich stabil genug fühlt. Ist der Hund gestresst, unsicher oder hoch erregt, steht ihm diese Fähigkeit biologisch nicht zur Verfügung.
Gestelltes Training setzt jedoch häufig genau dort an, wo Regulation gerade fehlt. Der Hund wird gezielt in einen Zustand gebracht, in dem er etwas unbedingt möchte oder stark erregt ist, und soll dann dennoch ruhig bleiben. Was dabei oft „erfolgreich“ aussieht, ist in Wirklichkeit kein Lernen, sondern Inhibition unter Druck oder Resignation.
Frustration lässt sich nicht „abhärten“
Frustrationstoleranz entsteht nicht dadurch, dass ein Hund möglichst oft frustriert wird. Im Gegenteil: Wiederholte Frustration ohne Lösbarkeit oder Unterstützung erhöht die Grundspannung des Nervensystems. Der Hund lernt dann nicht, besser mit Frust umzugehen, sondern empfindlicher darauf zu reagieren.
Besonders bei Hunden mit wenig emotionaler Sicherheit oder hoher Stressbelastung führen solche Trainingsansätze häufig zu:
gesteigerter Reaktivität
erhöhter Erregung
Vermeideverhalten
innerem Rückzug
Der Hund funktioniert vielleicht kurzfristig, innerlich lernt er jedoch, dass Bedürfnisse blockiert oder ignoriert werden.
Wie Frustrationstoleranz tatsächlich entsteht
Frustrationstoleranz entwickelt sich im Alltag, nicht im künstlich hergestellten Trainingssetting. Sie entsteht dort, wo ein Hund sich grundsätzlich sicher fühlt und erlebt, dass:
Bedürfnisse wahrgenommen werden
Grenzen vorhersehbar und erklärbar sind
Unterstützung verfügbar ist
Lösungen möglich sind
Ein Alltagsbeispiel
Ein Hund möchte zu einem anderen Hund hin, doch die Distanz ist noch zu gering. Statt den Hund „aushalten zu lassen“, vergrößert der Mensch ruhig den Abstand und bleibt präsent. Der Hund erlebt Frust, aber in einem haltbaren Rahmen. Die Situation wird lösbar.
Oder:Der Hund wartet auf sein Futter, nicht weil er es „aushalten muss“, sondern weil der Ablauf stets gleich ist und der Mensch ruhig bleibt. Vorhersagbarkeit reduziert Frust.
Regulation geht vor Aushalten
Ein Hund, der sich im Alltag regelmäßig regulieren kann, Pausen bekommt und nicht dauerhaft über seine Grenzen gebracht wird, entwickelt ganz automatisch eine höhere Toleranz gegenüber Enttäuschungen. Nicht, weil er oft frustriert war, sondern weil sein Nervensystem Belastung insgesamt besser verarbeiten kann.
Frustrationstoleranz ist also kein Trainingsziel an sich, sondern ein Nebenprodukt von Sicherheit, Beziehung und sinnvoller Alltagsgestaltung.
Fazit
Gestelltes Training von Impulskontrolle und Frustrationstoleranz ist unangebracht, wenn es den Hund wiederholt in Überforderung bringt. Es ersetzt nicht fehlende emotionale Stabilität.
Was Hunde brauchen, um mit Frust umgehen zu können, ist kein Übungsparcours, sondern ein Alltag, der:
strukturiert, aber nicht rigide ist
klar, aber nicht fordernd
verbindlich, aber unterstützend
Frustrationstoleranz wächst dort, wo ein Hund sich getragen fühlt – nicht dort, wo er lernen soll, einfach „mehr auszuhalten“.


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