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Hundebegegnungen an der Leine: Emotionen verstehen und Regulation trainieren

Hundebegegnungen gehören für viele Hunde heutzutage (warum das so ist, wird ein weiterer Beitrag) zu schwierigen Situationen im Alltag. Dabei geht es selten um Erziehung oder „Ungehorsam“, sondern fast immer um Emotionen. Diese entstehen schnell und unbewusst – oft schneller, als dein Hund überhaupt denken oder reagieren kann.


Ein ganz wichtiger Grundsatz vorweg: Emotionen kann man nicht belohnen oder bestrafen. Sie passieren einfach. Was du aber gezielt beeinflussen kannst, ist das, was nach der Emotion passiert – nämlich die Fähigkeit deines Hundes, sich zu regulieren.


1.Klassisch konditionieren, solange es noch geht

Sieht dein Hund einen anderen Hund und ist dabei noch entspannt oder ansprechbar, kannst du diesen Moment nutzen. Du belohnst deinen Hund direkt dafür, dass ein anderer Hund auftaucht und noch keine Anspannung entstanden ist.


Das ist klassische Konditionierung: Anderer Hund erscheint → etwas Gutes folgt.

So können sich im besten Fall positive oder zumindest neutralere Erwartungen entwickeln. Das ist ein wertvoller Trainingsansatz. Gleichzeitig ist es wichtig, realistisch zu bleiben: Auch regelmäßiges „schön füttern“ bedeutet nicht, dass sich die Emotion deines Hundes in jeder Situation dauerhaft verändert.


Emotionen sind nicht stabil. Sie hängen stark von:

  • Tagesform

  • Stresslevel

  • Umgebung

  • und der allgemeinen Grundstimmung deines Hundes ab


2.Körpersprache erkennen und zulassen

Viele Hunde zeigen schon lange vor dem eigentlichen Bellen, dass ihnen eine Begegnung schwerfällt. Typische Anzeichen sind:


  • zur Seite gehen

  • intensives Schnuppern

  • Blick abwenden

  • Züngeln

  • Tempoveränderungen


Das sind keine störenden Verhaltensweisen, sondern aktive Bewältigungsstrategien. Dein Hund versucht, sich selbst zu regulieren. Diese Signale solltest du deinem Hund erlauben und nicht unterbrechen, wenn es möglich ist.

Sobald der andere Hund sichtbar wird, kann sich die Körpersprache weiter verändern. Der Körper wird steifer, die Bewegung weniger fließend, die Atmung verstärkt sich manche Hunde laufen im Passgang (Beine auf einer Seite gehen gleich vor nicht über kreuz siehe Video).


Ennah ist angespannt. Bauchdecke hebt und senkt sich = starke Atmung. Passgang im Anschluss.

Das sind klare Zeichen zunehmender Anspannung. Wenn du kannst, vergrößere den Abstand oder gehe einen Bogen. Frontal auf einen anderen Hund zuzugehen erhöht den Druck – Ausweichen schafft Sicherheit.


Wenn Emotionen übernehmen und dein Hund bellt

Manchmal reicht all das nicht aus. Dein Hund beginnt zu bellen und geht in die Leine. In diesem Moment übernimmt die Emotion vollständig. Das Bellen ist keine bewusste Entscheidung, sondern eine unkontrollierbare emotionale Reaktion. Dein Hund tut das nicht, um etwas zu erreichen – sein Nervensystem ist schlicht überfordert.

Ganz wichtig: Jetzt hört Training nicht auf.

Viele Menschen denken, dass ihr Hund nach dem Bellen „zu spät“ ist und keine Belohnung mehr bekommen darf. Das ist ein Irrtum.


Warum du das Zuwenden danach unbedingt belohnen solltest

Wenn dein Hund nach dem Bellen:

  • den Kopf abwendet

  • sich zu dir umdreht

  • oder auch nur kurz wieder ansprechbar wird


passiert etwas Entscheidendes: Dein Hund verlässt den reinen Emotionsmodus und zeigt bewusstes Verhalten.

Und genau das wird belohnt.


Du belohnst nicht das Bellen. Emotionen lassen sich nicht verstärken. Du belohnst die Regulation danach – den Moment, in dem dein Hund es schafft, sich wieder zu orientieren.

Das ist eine enorme Leistung.


Dein Hund lernt: „Ich war kurz überfordert, aber ich konnte mich wieder fangen – und mein Mensch hat mich dabei unterstützt.“


Entwicklung braucht Zeit und verläuft nicht geradlinig

Am Anfang sieht der Ablauf oft so aus:

  • anderer Hund erscheint

  • dein Hund bellt

  • dein Hund wendet sich zu dir

  • du belohnst


Mit regelmäßigem, ruhigem Training verschiebt sich dieser Ablauf:

  • Orientierung kommt früher

  • das Bellen wird kürzer

  • oder bleibt irgendwann ganz aus

Nicht, weil dein Hund nichts mehr fühlt, sondern weil er gelernt hat, mit seinen Emotionen umzugehen.


Dabei wird es immer Schwankungen geben. Je nach Tagesform, Stress oder Umfeld kann es besser oder schlechter laufen. Das ist normal und kein Rückschritt.


„Regt sich mein Hund dann extra auf, um ein Leckerli zu bekommen?“

Diese Sorge höre ich sehr häufig – und sie ist verständlich. Die kurze Antwort lautet: Nein.

Ein Hund regt sich nicht absichtlich auf, nur um ein Leckerli zu bekommen. In dem Moment, in dem ein Hund bellt, in die Leine geht oder emotional hochfährt, ist er nicht in einem Zustand, in dem er strategisch plant oder manipuliert. Das Nervensystem ist übererregt, das Denken stark eingeschränkt.

Emotionale Reaktionen sind schneller als Lernen. Ein Hund kann nicht „beschließen“, sich extra aufzuregen, um danach belohnt zu werden.

Was Hunde sehr wohl lernen können, sind bewusste Verhaltensstrategien – zum Beispiel sich abzuwenden, Luft zu holen oder Blickkontakt zum Menschen aufzunehmen. Genau diese Momente werden im Training verstärkt.

Wäre das Ziel das Leckerli, müsste der Hund ein festes Muster zeigen wie: erst bellen, dann sofort umdrehen. In der Praxis sehen wir aber das Gegenteil: Mit Training wird das Bellen kürzer, unsteter oder fällt ganz weg, während das Umorientieren früher passiert.

Das zeigt deutlich:Es wird nicht das Bellen verstärkt, sondern die Regulation danach.

Für den Hund lohnt es sich emotional nicht, sich absichtlich hochzufahren. Emotionaler Stress ist anstrengend und unangenehm. Wenn ein Hund lernt, dass er schneller zur Ruhe kommen und Unterstützung bekommen kann, wird er diesen Weg wählen – nicht den anstrengenderen.


Die Rolle der Grundstimmung

Wie gut dein Hund sich regulieren kann, hängt stark von seiner allgemeinen Verfassung ab. Hat er genug Ruhe? Wie hoch ist sein Stresslevel im Alltag? Fühlt er sich körperlich wohl?

Training wirkt immer auf dem Boden der aktuellen Belastung. Deshalb gehören Pausen, Stressreduktion und eine passende Alltagsgestaltung genauso dazu wie das eigentliche Begegnungstraining.


Fazit

Ziel ist nicht, dass dein Hund keine Emotionen mehr zeigt. Ziel ist, dass er lernt, mit ihnen umzugehen.

Ein Hund, der nach Anspannung wieder ansprechbar wird, ist auf einem sehr guten Weg. Wenn du früh hinschaust, Körpersprache ernst nimmst und bewusstes Verhalten unterstützt statt Emotionen zu bestrafen, kann sich Verhalten nachhaltig verändern – leise, schrittweise und fair.

Gerne trainiere ich diesen Weg gemeinsam mit dir. Ich unterstütze dich dabei, die Körpersprache deines Hundes besser zu lesen, den richtigen Moment für Belohnung zu erkennen und Begegnungen so zu gestalten, dass dein Hund sich sicherer und handlungsfähiger fühlen kann.


Denn nachhaltige Veränderung entsteht nicht durch Druck, sondern durch Verständnis, Struktur und passende Begleitung.

 
 
 

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