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Wildes Hundespiel ist keine Sozialisierung

Sozialisation bei Hund bedeutet: Akzeptanz und Gelassenheit erlernen in Situationen, auf die sie nicht genetisch bedingt natürlich reagieren können. Natürliche Reaktionen bei Stress sind flüchten, angreifen, einfrieren oder sogar aufgeregtes Spiel.


Ja tatsächlich aufgeregtes Spiel kann ein Zeichen von negativem Stress sein. Das heißt also, wenn viele Zweibeiner glauben, sein Hund spiele lustig und toll mit anderen Hunden, kann dies auch das Gegenteil bedeuten. Der scheinbar wild spielende und nicht zur ruhende kommende Hund in Gegenwart anderer Hunde hat immensen Stress und das Gegenteil von Sozialisierung nämlich Traumatisierung findet statt.


Richtiges Hundespiel erkennt man daran, dass Hunde ein so genanntes Spielgesicht mit weit aufgerissenem Maul und Augen zeigen, die Rollen im Spiel wechseln und die Interaktion von trinken, schnüffeln unterbrochen oder ganz abgebrochen wird nach kurzer Dauer. Für ein gutes Miteinander im Sinne von Spiel ist zu beachten, dass Hunde je nach Zustand (Alter, hormoneller Zustand, Rasse und Stimmung) unterschiedliche Arten von Spiel zeigen. Dies ist auch oft ein Grund, der zu Missverständnissen im hündischen Miteinander führt. Spiel erkennt man an unzusammenhängenden Verhaltenselementen (z. B. Jagd, Sexualverhalten) aus dem gesamten Verhaltensrepertoire der Hunde, welches ohne Endhandlung und ohne jede Absicht gezeigt wird. Es macht einfach Spaß! Rückschlüsse von spielenden Hunden auf deren Charakter oder Etikettierung sind hier unangemessen. Aber das ist ein anderes Thema.


Zurück zum wild spielenden Hund ohne Unterlass. Wenn der Hund nun nur scheinbar spielt und eigentlich gestresst ist, geht dies oft so lange gut, bis der Hund in die Pubertät kommt oder er immer wieder Misserfolg mit seiner gewählten Lösung (wildes Scheinspiel) hat aus seiner Sicht.



In Folge der hormonellen Umstellung oder aus Verzweiflung entdecken Hunde eine für sie wesentlich erfolgreichere Variante aus der Situation zu gelangen. Sie fangen an aggressiv zu raufen indem sie sich im Freilauf einen deutlich schwächeren Hund suchen und diesen mit lautem Gebrüll angehen und aktiv unterwerfen. Dann stehen sie in all ihrer scheinbaren Macht kraftvoll und laut über diesem unterlegenen Hund. Sollte dieser sich bewegen wird er wieder laut zurechtgewiesen. Zur Beruhigung: je lauter diese Aktion umso geringer ist die Wahrscheinlichkeit, dass es zu einer Beißerei kommt.


Wenn man aber dann als Mensch mit lautem Gebrüll hingeht um dies zu stoppen, wird genau dies die Situation verschlimmern. Hunde sind sehr soziale Lebewesen. Der so genannte Aggressor wird die laute Stimmung des Menschen nur so verstehen: jetzt prügeln wir gemeinsam weiter. Also Ruhe bewahren und atmen. Das Eingreifen oder nicht Eingreifen ist hier sehr individuell. Das Thema ist hier zu sensibel um Empfehlungen zu geben.


Aber bleiben wir doch dabei, warum es dazu kam. Der Mensch war im Glauben seinen Hund mit anderen Hunden zu sozialisieren und es fand Spiel mit vielen Hunden statt.

Jedoch wurde übersehen, dass der Hund nicht spielt sondern anstatt zu flüchten, sich dafür entschieden hat dauernd anhaltendes, aufgeregtes und unkontrolliertes Spiel zu zeigen. Das gibt es auch bei Menschen. Aus Angst Schwäche zu zeigen, stimmen wir manchen Menschen einfach zu ohne überhaupt ansatzweise deren Meinung zu sein.


Ja es ist schwer zu unterscheiden, und ab und zu aufgeregtes Spiel unter Stress ist auch noch kein Zeichen dafür, dass der Hund sich grundsätzlich nicht wohl fühlt im Freilauf mit anderen Hunden. Wissenschaftlich ausgebildete Trainer haben ein gutes Auge hierfür und nehmen Hunde, die dauernd nur aufgeregt spielen aus der Situation.


Wenn dies aber nicht geschieht und der Hund immer wieder diesen Situationen ausgesetzt wird, kann es später dazu kommen, dass der Hund scheinbar unerwartet in den Kampfmodus in Anwesenheit von fremden Hunden gerät. Das ist die natürliche Folge dessen und passiert häufiger als man glaubt.


Es ist ein Trugschluss und passiert leider immer wieder, dass der Hund dann als aggressiv abgestempelt wird und man neigt zu glauben, dass diesem 'dominanten' Vierbeiner mal ein Hund ordentlich Bescheid geben sollte. Denn der ursprüngliche Grund liegt meist in der so genannten Sozialisierung durch falsch eingeschätztes 'Spiel'. Wenn jetzt ein anderer Hund diesem Bescheid geben würde, wie so mancher meint dies wäre die Lösung, dann geht die Traumatisierung weiter seinen Lauf.


Leider denken wir uns so etwas nicht aus und die Zahl solcher falsch sozialisierter Hunde nimmt immens zu. Es ist immer besser vorzubeugen, als später diese Traumata zu heilen. Besonders sensible Rassen und aus verschiedenen Gründen unsichere Vierbeiner geraten in diese falsche Sozialisierungsspirale. Wie immer trifft das nicht jeden Hund. Das liegt aber wie bei Menschen an vielen anderen Faktoren. Dies soll auch kein Vorwurf an Hundehalter sein. Aber bitte haltet die Augen offen und seid hier wachsam. Ihr könnt uns auch jederzeit Videos schicken, wenn ihr euch nicht sicher seid.




Das bedeutet im Umkehrschluss auch nicht, dass Hunde und Welpen nicht untereinander spielen sollten. Es bedeutet lediglich, dass eines der ersten Dinge, die sie im Leben lernen müssen, ist andere Hunde in Ruhe kennenzulernen. Dann kann das miteinander spielen als separate Fähigkeit hinzugefügt werden. Zudem lieben Hunde auch das Spiel mit dem Menschen mit und ohne Gegenstand. Das wird oft vernachlässigt ist jedoch für unsere Bindung zum Hund äußerst fördernd.


Eine Lektion in der sich Menschen schwer tun, die aber mehr als hundgerecht ist, ist das Hunde lernen sollten nicht mit allem und allen Hunden interagieren zu müssen. Auch wenn Hundespiel so schön aussieht und uns guttut, ist es total egoistisch nicht genau hinzusehen zum Wohle der Hunde und nicht zuletzt zu unserem eigenen Wohl.


Das ist wahre Sozialisation.

 

 

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