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Was tun mit dem reaktiven Hund? Teil 2




Tatsächlich müssen wir feststellen, dass es immer mehr so genannte reaktive Hunde gibt. Das sind keine aggressiven Hunde sondern Hunde, die auf bestimmte Trigger reagieren. Meist bemerken Halter dies zum Beispiel durch intensives Anbellen des Triggers (zum Beispiel andere Hunde).


Diese Zunahme reaktiver Hunde findet trotz gut gemeintem Training welcher Methode auch immer statt. Wie kann das sein?


Nun es gibt viele Trainingsmethoden. Über Einschüchtern solcher Hunde muss man nicht reden. Aber ebenso kann es auch sein, dass Schönfüttern mit Leckerchen nicht funktioniert. Das geht bei Menschen auch nicht. Wenn mir ein Mensch unheimlich ist, der jeden Morgen in mein Büro kommt, dann kann mir ein anderer jedes Mal 100 Euro geben, wenn nennen wir ihn Werner, ins Büro kommt. Dann freue ich mich später schon immer bevor Werner ins Büro kommt. Wenn Werner aber eine Pistole im Halfter hat, dann nutzen die 100 Euro auch nicht.


Das heißt im übertragenden Sinn. Wir wissen nicht wie stark bedrohlich ein Trigger auf Hunde wirkt. Manchmal nützt es eben nicht auch nicht mit Abstand einen Trigger schön zu füttern. Auch wenn der Hund noch Leckerchen nimmt. Im Gegenteil, es kann sogar sein, dass diese Leckerchen dann genau mit der Bedrohung verknüpft werden.

Es ist als nicht so einfach und es ist sicher, dass beide Methoden, sowohl die Unterdrückung von Verhalten durch Einschüchterung (körperliches Blocken und Zischen) und die Leckerchen Methode (Gegenkonditionierung und Desensibilisierung) nur am Symptom bei Reaktivität arbeiten.


Ein Verhalten zu unterdrücken oder zu verändern bedeutet nicht, dass die Gründe für dieses Verhalten verschwunden sind – es bedeutet nur, dass der Hund nicht mehr das tun kann, was er in dieser Situation für notwendig hält. Das kann zu erhöhter Frustration, Stress und Angst führen, je nachdem, was der Auslöser für das Verhalten war.





Es gilt folglich an der Ursache zu arbeiten und diese zu finden. Es gibt zunächst genetische Gründe. Ein Hütehund wird sich schwer tun alle Viere still zu halten, wenn sich vor ihm eine ungeordnete Menge in alle Richtungen verbreitet oder wenn nur ein Lebewesen nicht programmierte Bewegungen macht. Ein Kind fängt an zu schleichen oder zu rennen, ein Ball fliegt usw… In diesem Fall geht es darum Verständnis zu haben und Alternativen für diesen Hund zu finden an denen er sein genetisch bedingtes Verhalten ausleben kann. Das gilt auch für Jagdhunde. Denn nichts ist schöner für Hunde, wenn sie ihr innerstes Bedürfnis auf das sie ursprünglich selektiert wurden mit ihrem Menschen ausleben können.


Das heißt natürlich nicht, dass wir jetzt Hütehunde auf Kinder hetzen und Jagdhunde wild in der Natur jagen lassen. Aber es ist keinesfalls fair dieses genetisch bedingte Bedürfnis nicht zu sehen und unterdrücken zu wollen. Das führt nur zu einem reaktiven Hund, der sich seine Trigger je nach innerer Stimmung selbst aussuchen wird. Es ist doch wesentlich besser, wenn wir den ursprünglichen Job des Hundes in passende Kanäle leiten und ihm somit Bedürfnisbefriedigung bieten. Dann braucht er gar nicht nach Ersatz in ungeeigneten Situationen suchen, weil er weiß, dass er irgendwann dran kommt und Dinge für uns aushält und uns vertraut. Das heißt aber nicht, dass solch ein Hund mit einmal pro Woche Agility oder Nasenarbeit zufrieden ist. Hunde und Menschen suchen sich zu befriedigen, wenn es ihnen an irgendwelchen Dingen fehlt. Ich liebe es den Garten zu gestalten, wenn ich mit anderen Problemen hadere.


Also wenn eure Hunde intensiv die Jagd oder Hüten suchen, dann brauchen sie Unterstützung. Dann brauchen sie einen Halter, der weiß wie sie ihnen helfen können. Situativ und tagtäglich gilt es solche Hunde zu sehen und dann Alternativen wie gemeinsame Jagd (Suche nach Leckerchen oder Gerüchen) oder auch gemeinsames Rennen über Erhöhungen laufen oder Ballspiel. Ja auch mit Hütehunden oder Terriern kann man Ballspielen, wenn die Basis mit Hund stimmt. Es gilt nicht nur gemeinsame soziale Aktivitäten über eine bestimmte Aktion wie Ballspiel oder Apportieren zu generieren. Sondern soziale Aktivität bedeutet auch einen Hunde sehen, wenn er verunsichert ist, Nähe zu geben und Hunde zu sehen, wenn sie Aufmerksamkeit brauchen.


Ein weiterer Grund für Reaktivität können leider auch Schmerzen sein. Durch die Spezialisierung auf Rassen und die zunehmende Zahl an Hunden, sind körperliche Beschwerden häufig geworden. Nun liegt es aber in der Natur der Hunde Schmerzen erst zu zeigen (durch Hinken zum Beispiel), wenn schon lange Schmerz da war. Vorher können sich Schmerzen eben auch durch Anbellen von Triggern zeigen. Ein Hinweis hierauf ist meist das plötzliche Anbellen von Reizen, die vorher nicht angebellt wurden. Dann ist ein Physiotherapeut oder ein orthopädisch ausgebildeter Tierarzt hinzuzuziehen bevor mit dem Training begonnen wird.


Natürlich spielt auch die Sozialisierung des Hundes und Erfahrungen im Leben eine Rolle, ob sie entspannt durch ein aufregendes Leben können. Ängste können bestehen, weil in einer entscheidenden Phase ein Trauma entstanden ist. Das kann in bester Absicht jedem Hundehalter passieren. Es gibt eben auch sensiblere Hunde, die die Dinge nicht so einfach wegstecken. Das Problem ist hier, dass diese Zeichen für uns Menschen oft erst sichtbar werden, wenn sich ein Hund schon sehr lange mit einer bestimmten Angst beschäftigt.

Es zeigt sich dann für uns plötzlich durch Reaktivität gegenüber bestimmten Menschen oder allen Menschen, die dann unsicher angebellt werden. Wenn sich dies schon lange manifestiert hat, dann zeigen sich auch parallel weitere Verhaltensweisen, die einen Suchtcharakter haben, wie intensives Grasfressen, Buddeln, aufreiten etc.. Durch diese Verhalten versuchen Hunde mit ihren Ängsten zurecht zu kommen. Kommt euch das bekannt vor? Dem einen oder anderen sicher schon. Dann weiß ein jeder sicher auch, wie schlimm es ist, wenn man seine Strategie mit Ängsten umzugehen einfach verboten bekommt und keine Alternative angeboten wird.


Schlussendlich ob Ängste, Genetik, Trauma oder Schmerz die Reaktivität beeinflussen, gilt es diese als Hilfeschrei zu sehen und zu erforschen, was die Ursache ist und nicht oberflächlich an Symptomen zu doktern mit irgendwelchen Trainingsmaßnahmen.

Es gilt diese Hunde dann individuell zu unterstützen. Es gibt nie den einen Weg. So leicht ist es leider nicht.


Um diesem Thema gemeinsam auf den Grund haben wir im All in One Kurs jetzt das Thema Alltagshelden geschaffen. Wenn wir Hunde besser kennen und lesen lernen, ist Reaktivität gut und verständnisvoll zu händeln oder sie kommt gar nicht erst auf. Das ist unser großes Ziel für ein entspanntes Miteinander.




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