top of page

Hinter jedem Verhalten steckt ein Bedürfnis: Warum Gehorsam nicht die Lösung ist

Autorenbild: Andrea JumpertzAndrea Jumpertz

Stellt euch vor, ein Kind sitzt im Unterricht und spürt, dass es dringend auf die Toilette muss. Es kennt die Regeln, steht auf, wippt ungeduldig auf der Stelle und zeigt auf. Der Lehrer reagiert mit den Worten: „Setz dich hin“. Das gehorsame Kind setzt sich und bekommt dafür ein Bonbon. Doch wie fühlt sich ein solches Kind? Es wird in die Rolle des stillen Gehorsams gedrängt, selbst wenn ein echtes Bedürfnis dahinter steckt.

Ein anderer Lehrer könnte noch strenger reagieren, mit einem lauten „Setz dich!“ und baut sich dabei vor dem Kind auf. Das Kind, eingeschüchtert und frustriert, gehorcht sofort. Eine scheinbar effektive Maßnahme, aber letztlich sehr unangenehm für das Kind und traumatisierend.


Der Schlüssel liegt im Blick auf das zugrunde liegende Bedürfnis, nicht nur das Verhalten zu bestrafen oder zu belohnen. Genauso wie im Hundetraining: Hinter jedem Verhalten steckt ein Gefühl, und hinter jedem Gefühl ein Bedürfnis. Wenn wir dieses Bedürfnis wahrnehmen und ansprechen, handeln wir der Ursache und nicht nur dem Symptom gegenüber. Ist es zum Beispiel Ungehorsam, wenn ein junger Hund die Kleidung seiner Menschen zerfetzt? Es geht nie um Gehorsam oder Ungehorsam, sondern um ein unerfülltes Bedürfnis. Ist es dann belohnend wenn man diesem Hund in der Situation des Klamotten Beißens, Leckerchen wirft? Nein, denn meist entstand dieses Verhalten im Frust auf ein unerfülltes stark belohnendes Bedürfnis und das sind nicht immer die Leckerchen. Sie sind dann nicht die passende Belohnung, fahren den Hund aber erst einmal runter. Es soll auch Menschen geben, denen Frustfressen hilft. Das Werfen von Leckerchen gibt eher eine Chance für Hund und Halter erst einmal aus der Situation heraus zu kommen. Dann sollte man folgendes durchführen:


Ein genauer Blick auf den Alltag zeigt, dass so genanntes ungehorsames Verhalten oft durch unerfüllte Bedürfnisse ausgelöst wird. Wenn man sich die Zeit nimmt, einen Tagesplan zu erstellen und die Ereignisse zu dokumentieren, wird deutlich, was zu bestimmten Verhaltensweisen führt und wie man darauf besser reagieren kann. Bei jungen Hunden wird oft das Bedürfnis nach Abwechslung und geistiger Stimulation nicht erkannt. Es reicht nicht, täglich einmal auf die Hundewiese zu gehen, wo die Emotionen so richtig hochkochen oder immer wieder die gleichen Spielzeuge und Lecksachen zu geben. Der Hund muss individuell gefördert werden – mit einer Vielzahl von kleinen, positiven Erlebnissen über den Tag verteilt. Sonst passieren eben solche Frustevents.





Denn ein stark belohnendes Event am Tag führt zu hohem Dopaminspiegel und somit hoher Erwartung. Wenn diese Erwartung nicht belohnt wird, kommt es zu Frust und der Hund tickt aus. Das ist aber kein Ungehorsam sondern der Hund zeigt auf seine Art, wie er jetzt versucht seinen hohen Dopaminspiegel wieder runter zu fahren. Auch aufreiten wird hier oft gezeigt. Vor allen Dingen ist zu beachten, dass man somit einen Hund heranzieht, der letztendlich einen Dopaminspiegel entwickelt, der nicht der Norm entspricht sondern immer höher liegt und somit hat dieser Hund Schwierigkeiten sich zu beruhigen und wird von vielem getriggert. Das ist menschengemachtes ADHS. Dabei meinen es viele Menschen richtig gut mit ihrem Hund. Das Gegenteil ist aber leider der Fall. Zudem gibt es den Irrglauben, dass der Hund nach solchen stark aufregenden Events müde und zufrieden ist. Das scheint nur so. Es ist eher Erschöpfung und auch kein wirklich gutes Gefühl.


Es ist wichtig, dass ein junger Hund immer wieder mal Dopaminpeaks (also freudige Erwartung) empfindet. Diese sollten aber über den Tag verteilt sein und nicht zu hoch sein, auch gibt es zwischen den erhöhten Dopaminwerten immer wieder fallendes Dopamin. Das ist wichtig für ein sich selbst regulierendes Nervensystem. Es darf also dazwischen ruhig langweilig sein und ein wenig Frust schadet nicht. Das heißt aber auch bitte nicht, dass man frustige Situationen herstellt. Da gibt es genug für Hunde in unserer Menschenwelt an Potential für Frust.


Ein Beispiel: Wer seinen Hund erst Sitz machen lässt, und den Napf erst runterstellt, wenn der Hund sitzen bleibt, dem sage ich folgendes: Da ist ein Bedürfnis Hunger und das Kommando Sitz. Der Hund freut sich auf das Futter, muss aber warten. Das bremst die Freude und macht das tolle Event essen nicht mehr so schön. Auch das Kommando Sitz wird nicht wirklich mit Freude in dem Moment verknüpft. Im Gegenteil es wird negativiert. Zumindest wird dann mit der Belohnung ein Bedürfnis befriedigt. Aber wozu das Ganze?


Stellt euch mal das Kind vom Anfang vor. Der Lehrer sagt, ok setz dich hin und dann darfst du auf Toilette. Meine Hunde sitzen immer da wo der Napf hinkommt, weil sie wissen, wo ich ihn hinstelle. Man braucht solch eine Verhaltensbeeinflussung nicht und erst recht nicht um irgendetwas wie Impulskontrolle oder so zu trainieren. Das macht keinen Sinn. Impulskontrolle kommt von sich aus. Sieht man an meinen Hunden, die sitzen von sich aus da und warten. Manchmal setze ich den Napf auch fröhlich pfeifend vor die sitzenden Hunde, um meinen Rückruf Pfiff mit Freude zu verknüpfen.


Wenn wir verstehen, dass die Emotionen des Hundes ein Ausdruck seines Bedürfnisses sind, können wir Lösungen finden, die den Hund nicht nur beschäftigen, sondern ihm auch wirklich Freude bereiten. Beschäftigung und Aktivitäten müssen an die Persönlichkeit des Hundes angepasst werden, es gibt keine universellen Rezepte. Der Hund entscheidet, was ihm Spaß macht – aber es sollte nicht nur ein einziges, großes Event am Tag sein, sondern eine ausgewogene Mischung. Schließlich würden auch wir Menschen auf Dauer nervlich überfordert sein, wenn unser Tag nur ein einzige hoch aufregendes und stark belohnendes Event bieten würde oder?

 

28 Ansichten0 Kommentare

Aktuelle Beiträge

Alle ansehen

Comments


Hundeschule und Mehr

Gelände:
Aachener Str. 1413
50859 Köln-Weiden

Büro:
Neusser Str. 9
50189 Elsdorf

Tel.: 02274/8299516
Mobil: 0177/6003357
Kontaktanfrage per mail

 

  • TikTok
  • Facebook
  • Instagram
IAABC_member_Generic.png
Vdtt.png
logo_ATN.png
bottom of page